Ist eine Geschichte, die zu einer historischen Zeitreise einlädt, ein Zeitgeschichte-Roman?

Anfangen möchte ich mit einer Begriffsklärung: Viele Leser verstehen unter einem ‚Zeitreise-Roman’ ein Buch, dass sie in eine fiktive Zukunft entführen wird. Dies ist bei meinem Roman, der sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit spielt, nicht der Fall. Es geht in meinem Roman um ganz reelle Jahrhunderte, nämlich das gegenwärtige zum einen und das 8. Jahrhundert nach Christi zum anderen. Beide Erzählungen, die miteinander verwoben sind, spielen in Mittelamerika:

Die Geschichte, die sich in der Gegenwart entwickelt, findet auf der Halbinsel Yukatan statt: Die Protagonistin lässt ihre Heimat Deutschland zurück, um nach dem Tod ihres besten Freundes zurück zu einem sorglosen Leben zu finden. Die Riviera-Maya an der yukatekischen Küste scheint ihr dazu gut geeignet, ist der Landstrich doch ein Touristen-Zentrum und verspricht somit Sonne und ein unbeschwertes Leben, dass ihr als Trauerhilfe dienen soll.

Die Geschichte, die in der Epoche der Maya-Spätklassik spielt, ist auf historischen Tatsachen basiert: Der König Copáns regiert sein Imperium bereits seit Jahrzehnten erfolgreich. Dennoch entwickeln sich die Zeiten unvorteilhaft und Intrigen schwächen seine Macht. Schließlich, nach dem Heranziehen von verschiedenen Kalendern und Lesen der Sterne, entscheidet er sich dazu, seine politische Stellung im Reich zu stärken, indem er gegen einen Vasallenstaat zu Kriege zieht und einen geheimen Anschlag ausübt. Vor der besagten, aufrührerischen Stadt gerät der Trupp in einen Hinterhalt und der König (bei den Maya ‚K’ul Ahau’ genannt) wird noch am selben Tag enthauptet.

Der Leser taucht im Buch in die politischen Wirren der damaligen Epoche ein. Veranstaltungen der Maya, wie Todes-Riten, Krönungen, Weihungen und Ballspiel, werden hautnah miterlebt. Man erhält auch Hintergrundinformationen über die berühmt berüchtigten Opferungen der Maya und wie diese sich aus dem Weltbild der Hochkultur erklären lassen.

Gerade die Romanform eignet sich ausgezeichnet für Geschichtsinteressierte, um eine Kultur kennen zu lernen, denn es ist nicht jedermanns Sache, Weltgeschichte in einem Museum oder wissenschaftlicher Fachliteratur nachzuvollziehen. Dennoch würde ein Verlag ähnliche Bücher nicht als ‚Historischer Roman’ veröffentlichen, denn dafür dürfte die Geschichte nicht in zwei verschiedenen Epochen spielen. Also denke ich, das Genre ‚historischer Zeitreiseroman’ oder ‚Zeitreiseroman mit historischen Aspekten’ (die beide im Verlagswesen offiziell nicht existieren) passt für meinen Maya-Roman am besten.

Im Prolog lernt der Leser den kleinen Prinzen Óoxlahun Mo’ kennen. Man begegnet dem Prinz in späteren Kapiteln wieder, wo er bereits zum stattlichen Krieger und Berater seines Onkels, dem König, herangewachsen ist. Nach dem verhängnisvollen Kriegszug wird er vom König des einstigen Vasallenstaates gefangen gehalten, und in dieser Zeit treffen Protagonistin und Prinz aufeinander und entdecken ihre Liebe, die für beide unerklärlich ist und sie tief in ihrem Selbstverständnis erschüttert.

Nun mag der kritische Leser denken: Zeitreise – muss es da nicht eine Zeitmaschine geben? Ich suche doch nach einem Roman, der bei den alten Maya spielt! Man assoziiert schnell den Film ‚zurück in die Zukunft’, wo die Rückkehr in die Gegenwart aus technischen Gründen schwierig wird (in meinem Roman besteht diese Schwierigkeit der Rückkehr übrigens in ganz persönlichen Betrachtungen der Protagonistin - wie Liebe und Lebenssinn)? Das würde dem Buchinhalt natürlich gleich wieder den Flair einer Sciencefiction-Mission geben. Doch genau das war nie mein Ansinnen beim Schreiben! Ich wollte nie auf reine Phantasie zurückgreifen, um neue Gedanken bei meinen Lesern anzustoßen, sondern die Geschichte durch viele (auch wissenschaftliche) Fakten untermauern. Mein Zeitreise-Roman gehört nicht zu den Sciencefiction-Büchern, sondern behandelt auf unterhaltsame und spannende Weise die damaligen Ereignisse und vermittelt ein Verständnis der Maya-Kultur.

Aber mein Maya-Roman ist noch soviel mehr: gerade weil die Jahrhunderte der Maya und ihre Vorstellungen des Universums von Mystik durchdrungen waren, eignen sich ihre spirituellen Ideen und Symbole, um aus ihnen Lehren für die Moderne zu ziehen – endlich aus Geschichte zu lernen (siehe Blog vom 20.11.2012). Fakten sind wichtig, doch wenn uns Wissenschaft nicht im Wege stehen soll, so müssen wir ebenfalls über ihre Grenzen hinausschauen und unserer Intuition vertrauen und folgen. Nichts anderes ist Spiritualität: Wenn ich von Spiritualität rede, so meine ich damit auch immer ganz persönliche Gewissheiten, die von den Wissenschaften noch nicht bewiesen wurden, da die Wissenschaften noch in ihren Kinderschuhen stecken.

Und um beidem, Wissenschaft und Spiritualität, gerecht zu werden, habe ich mich eng an das bereits erforschte (nach heutigem Stand der Geschichtswissenschaft) Weltbild der Maya gehalten, das Zeit als unendlich kreisend erklärt (siehe hierzu auch frühere Blogs). Tod und Wiedergeburt waren somit auf ganz natürliche Weise in den Alltag der Maya integriert. Und die Tatsache, dass jeder Maya schon früher auf der Erde in einem anderen Körper lebte, macht die Verbindung von inkarnierten Seelen möglich. Genau diese Verbindung hilft der Protagonistin, aus der Moderne zurück in die Zeit der Maya zu reisen. Für manche Menschen, die an Wiedergeburt glauben, sicherlich keine überraschende Idee.

Letztendlich kann ich streng genommen nicht behaupten, dass es sich um einen Zeitreiseroman handelt, zweifelt die Protagonistin doch selbst an ihrer Gabe des Reisens über Dimensionen hinweg und versteht kaum, wie es zu ihren Reisen kommt. Je mehr Beweise sie dafür sucht, desto deutlicher wird ihr, dass ihre Reisen aus ganz anderen Gründen geschehen. Der Sinn ihrer Zeitreise ist keinesfalls, einen wissenschaftlichen Beweis dafür zu finden, dass ein Transport von ihrem Sein aus einem Körper in einen anderen funktioniert. Sie stößt bei der Beweissuche auf das Paradox des Lebens und erkennt, dass es Wunder gibt, die wir (noch) nicht erklären können. Wunder, die ganz andere Dimensionen betreffen, als die uns bekannten, und dennoch wirklich sind.

Vielleicht sollte ich Amazon und den Verlagen vorschlagen, ein Genre namens ‚Romane, in denen Entwicklung mittels Paradoxie stattfindet’ für mich zu schaffen? Wahrscheinlich würde mein Roman aber recht einsam dastehen, wird Paradoxie heutzutage doch eher als ‚mangelnde Logik’ kritisiert und hindert somit daran, auf die Bestsellerlisten zu geraten. Doch ist das Akzeptieren von Paradoxen meiner Meinung nach einer der Schlüssel im eigenen Reife-Prozess. Dazu und zu der Begriffsklärung von ‚paradoxen Geschehnissen’ dann aber mehr im nächsten Blog.