Hatten auch die Maya einen Jahresbeginn oder einen Neujahrstag im Maya-Kalender?

Ich sollte diese Frage erst einmal kategorisch mit ‚Nein’ beantworten, denn das Sonnenjahr lag lediglich dem Maya- Sonnenkalender zugrunde und hatte eher eine Bedeutung für die Ernte als für den Rhythmus der Zeit, der den Maya so heilig war.

Da die Maya-Kalender und die Maya-Rituale ausführlich in meinem Buch und auch auf dieser Website beschrieben sind (siehe ‚Glossar’), werde ich mich nicht in Erklärungen oder Beschreibungen der Kalender verlieren, sondern versuchen, den Vergleich von Jubiläen der Maya zu unserem Jahreswechsel ziehen.

Wir begehen Feiertage bekanntlich in Gedenken daran, was an diesem Tag einmal geschehen ist. Das Brauchtum nimmt es da nicht allzu streng, denn zum Beispiel Weihnachten, oder die Geburt Jesu, fand wahrscheinlich nicht am 24. Dezember 00 statt – dazu wurde der Kalender zu oft angepasst. Wichtig ist uns aber, dass alle Menschen diesen einen Tag gemeinsam begehen, und das macht dann auch die besondere Energie des Feiertages aus.

Silvester ist ein weiteres gutes Beispiel: Wir Menschen veranstalten weltweit ein großes Feuerwerk – sei es nun, um die Zeitrechnung zu ehren, die Bedeutung des Neuen Jahres für ganz persönliche Belange zu betonen, mit etwas abzuschließen oder einfach die Gelegenheit wahrzunehmen, mit Freunden zu feiern. Die Neujahrsnacht würde auch ohne unser Feiern vorübergehen und der Neujahrstag und Januar auch ohne unser Zutun beginnen – da sind wir uns heutzutage wohl alle einig.

Anders war es bei den alten Maya, so wie im Prolog meines Buches beschrieben. Für sie bestand ‚Zeit’ nicht aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. ‚Zeit’ war ein ewiges Werden, das sich in den kreisenden Kalendern der Maya widerspiegelte. Zeit war zirkulär und musste am Leben erhalten werden, die höchste Aufgabe eines Maya-Königs. Es war seine Aufgabe, in Ritualen und Zeremonien die alten Energien des zu feiernden heiligen Tages aufleben zu lassen, dass sie das neue Werden positiv beeinflussen würden. Diese Zeremonien konnten zu besonderen Festtagen oder aber auch einschneidenden Kalender-Tagen vollzogen werden, wie es gerade am 21. Dezember 2012 der Fall gewesen ist. Die Feiern zu besonderen Kalender-Tagen fanden also nicht zum Gedenken, sondern zur Heraufbeschwörung alter Energien statt, die man erhalten oder wiederbeleben wollte. Die ganze Welt und das gesamte Universum war von Energien durchwoben, die letztendlich alle aus der heiligen Energie ‚K’ul’ entstammten und sich in Materie aber auch Zeit niederschlagen konnte.

Doch ganz so einfach, wie es vielleicht scheint, war diese Beschwörung eines Kalender-Tages nicht. Eine Zeremonie und ein wenig Weihrauch brachten die Energien nicht automatisch dazu, sich auch auf die neue Kalenderrunde und das neue Werden auszuwirken. Der König musste hierüber mit den Ahnen verhandeln, die in der Unterwelt Xibalbá das Werden vorlebten. Dafür reiste er quasi in den Zeremonien in die Unterwelt. Dies geschah in einer Trance oder Halluzination, die wiederum durch Fasten, bewusstseinsverändernde Drogen, Schlafentzug, Meditation und Schmerz (Selbstverletzung) hervorgerufen wurde (alles anschaulich im Buch geschildert). Und so eine Reise in die Unterwelt Xibalbá war darüber hinaus ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, wurde Xibalbá doch von Geistern und den Bösen Herren beherrscht.

Der Beginn einer neuen Zeitrechnung hatte somit nicht viel mit ausgelassenem Feiern zu tun, sondern vielmehr mit dem Überleben der Zeit an sich, die mehr als simple Zählung war. Das Thema ‚Zeit’ verstanden die Maya nicht als ewige Anhäufung von Tagen, die gezählt wurden. Zeit besaß vielmehr eine Qualität, die die Maya zu beeinflussen suchten und auf die sie ihr ganzes Leben abglichen – mit Hilfe ihrer Kalender.

In abgewandelter Form wäre diese Zeitauffassung bestimmt auch für den modernen Menschen ein interessantes Thema, ein Schritt zur Selbsterkenntnis und mehr Bewusstsein: Zu spüren, welche Qualität in einer gewählten Quantität Zeit, zum Beispiel einem Tag, liegt. Welche Energie beispielsweise zu Silvester schwingt – um sich dann ganz bewusst dazu zu entschließen, das Neujahrsfest zu feiern. Nicht, weil es alle anderen Menschen auch so machen, sondern um Teil der Energie zu werden und sich damit für das kommende Jahr aufzuladen.

Ich wünsche all meinen Lesern ein wunderbares und mit Bewusstsein gefülltes Neues Jahr.