Mayawelt der Spätklassik, 8. Jh. n. Chr.:


Die Großreiche haben sich zur vollen Blüte entfaltet, der Alltag sowie Politik, Kunst und Architektur sind eng mit den Mythen verwoben und die vielen Kalender regeln den kreisenden Rhythmus der Zeit. Tod bedeutet lediglich Neubeginn und gemeinsam mit den Ahnen, die in der Unterwelt ihrer Wiedergeburt harren, bestimmen die Götter das Werden. Allein sie entscheiden, ob Intrigen und Gefechte zu Machtgewinn oder totalem Untergang führen. Edles Blut muss deshalb fließen, bei Selbstverletzung oder Opferung von adligen Gefangenen. Es soll beschwichtigen, aber auch ehren und als Nahrung dienen, denn zur Schaffung der Maya opferten einst die Schöpfer ihren eigenen Lebenssaft.

Indem die Könige die Dualität von Unterwelt und Himmel im Ritual vereinen, schaffen sie eine geordnete Welt, in der die Gesellschaft über dem Individuum steht. Dennoch können die Menschen ihren eigenen spirituellen Weg durch zugeführte Schmerzen finden und durch deren Überwindung erhabene Ebenen erreichen. Der Weg zur Einheit führt außerdem über die Konfrontation mit dem Bösen, das besiegt werden soll.

Diese Aspekte werden im rituellen Ballspiel nachempfunden, in dem Gefangene um ihr Schicksal kämpfen. Es geht in ihm um mehr, als reines Kräftemessen: Dem Verlierer droht ein qualvolles Dasein in Gefangenschaft, denn erlittene Verletzungen dürfen nicht heilen, um als Quelle edlen Blutes zu dienen. Ein Sieg hingegen bedeutet die vorübergehende Verherrlichung, bis zu einem geeigneten Kalendertag, der auch Jahre später liegen kann. An ihm folgt dann der Opfertod, durch den ewige Freiheit und wahre Göttlichkeit errungen wird.

Grundriss  der Akropolis in Copán, Maya-Hochkultur
Copán/Xukpi im 8. Jh. n. Chr.